“Wieso hast DU eigentlich Probleme mit dem aktuellen Schönheitsideal?”, fragt sie mich fast herablassend. Als dürfte man die nicht haben, wenn man dem gängigen Schönheitsideal (zumindest in Ansätzen) oberflächlich gesehen entspricht.
Wer entscheidet denn, wann mein Päckchen mit Selbstzweifeln der letzten Jahre schwer genug ist, damit ich mich für einen bewussten und aufgeklärten Umgang dahingehend einsetzen darf? Ab wann darf ich denn #bodypositive sein, ohne dass sich andere angegriffen fühlen, weil ich ja eigentlich keine Probleme damit haben “dürfte”?
Versteht ihr: Auch ich bin mit damit aufgewachsen. Mit den wunderschönen, dünnen Frauen in der Werbung mit ihren glatten, glänzenden Haaren, den weißen Zähnen, den flachen Bäuchen und dem ‘Thigh Gap’. Ich habe Locken, meine Haare werden nie richtig glänzen (außer durch Fett vielleicht) und mein Bauch hatte schon immer diese kleine Rundung unter dem Bauchnabel. Die geht auch einfach nicht weg. Ich musste mir daher relativ früh eingestehen, dass ich leider nie die Victoria’s Secret Fashion Show mitlaufen kann.
Wir leben nun einmal in einer Zeit, in der Vergleiche omnipräsent sind. In einer Zeit, in der wir die Möglichkeit haben, uns ständig mit anderen zu messen. Natürlich ist mir bewusst, dass unser Schönheitsbild nur habituiert ist. Und natürlich weiß ich auch, dass es viel wichtigeres gibt, als einen flachen Bauch.
Aber ich habe so viele Freundinnen – so viele wunderbare, talentierte, kluge Frauen – die alle Selbstzweifel kennen und mit sich und ihrem Körper nicht zufrieden sind. Die sich in Angstzustände, Depressionen und Unzufriedenheit stürzen. Und das macht mich wahnsinnig.
Selbstverständlich kann ich mich aber davon auch nicht freimachen. Ich habe mich selber mal auf 47 kg runtergehungert. Zum Vergleich: Aktuell wiege ich 67 kg. Das sind 20 kg weniger als jetzt. Und selbst damals fand ich meinen Bauch zu dick. Ich hatte keinen. Aber diese kleine Rundung unter dem Bauchnabel – die blieb. Ich hatte damals auch keine Beine. Ich hatte Beinchen. Geschweige denn einen Arsch oder Brüste. War alles weg. Und jetzt bin ich so froh über meine Kurven. Aber ich bin auch Anfang dreißig, reflektiere mich und meinen Körper anders und bin reifer geworden. Ich weiß, worauf es für mich im Leben ankommt. Es gibt einfach Frauen, die haben von Natur aus eine Modelfigur. Und das ist toll. Ich hasse sie dafür etwas, aber ich freu mich auch für sie. Ich hab das leider nicht. Aber deswegen sollte man seinen Körper nicht kaputtmachen, indem man sich runterhungert oder jeden Tag zum Sport rennt, sondern sein eigenes Körperbild feiern. Wir sind doch alle so wundervoll unterschiedlich – und genau diese Vielfalt macht das Leben doch so lebenswert. Nichts ist besser oder schlechter als das andere. Es kommt eben immer darauf an, was ihr daraus macht.
Versteht mich nicht falsch. Mein Leben ist toll. Das ist es wirklich. Und ich bin glücklich. Aber das bedeutet nicht, dass ich perfekt bin. Oder dass ich keine Fehler mache. Aber ich lerne aus ihnen und ich wachse daran. Und die schlechten Erfahrungen und Momente lehren mich, was ich im Leben möchte, was ich wirklich will und was ich vor allem nicht will. Und diese Magersucht hat mich einiges gelehrt. Warum ich euch das jetzt erzähle? Weil das alles viel öfter vorkommt, als man denkt. Laut einer Studie haben 92% der Frauen etwas an ihrem Aussehen auszusetzen – und ich weiß, dass es vielen Männern nicht anders geht. Da reden nur meistens nicht darüber. Und uns helfen unrealistische Vorstellungen aus den Medien einfach nicht weiter. Aber hey: Nicht mal das Model aus der Werbung sieht in Wirklichkeit aus wie in der Werbung. Photoshop, du alter Penner!
Vielleicht sollten wir uns alle mal fünf Minuten aus den Augen der Menschen sehen, die uns lieben. Da sind die vermeintlichen 5 kg zu viel, der Höcker auf der Nase oder die Oberschenkel, die sich beim Laufen berühren, auf einmal nicht mehr schlimm. Überhaupt nicht erwähnenswert. Weil es eben auf so viel mehr ankommt. Auf das, was wir im Herzen tragen. Wie wir uns, und die Menschen um uns herum, behandeln.
Ich meine, ich treffe jeden Tag die Entscheidung, ob ich Eis zum Mittagessen haben möchte oder Bauchmuskeln. Und ich entscheide mich fast immer für das Eis. Warum? Weil ich mich selber (meistens zumindest) gut leiden kann. Auch ohne Sixpack. Überhaupt: Das einzige Sixpack, welches mich interessiert, ist mit Bier gefüllt. Und damit meine ich jetzt nicht so ‘ne Plörre – Jever wäre schon ganz nett. Im Herzen bin ich nämlich immer noch das Mädchen vom Dorf, welches Schützenfeste, Cola Korn und Männer mag, die wissen, was sie wollen.
Aber klar, ich weiß, wie es läuft. Ich weiß, dass wir alle immer gut sein wollen. Selbstoptimierung als gesellschaftlichen Imperativ ansehen. Aber: “Fuck This Shit”. Ich meine, wenn wir soviel Zeit, wie wir in unsere Körper stecken, mal in unsere Gedanken und Herzen packen würden, wäre diese Welt schon ein besserer Ort. Und wir haben doch soviel Potenzial. So viele Möglichkeiten und Optionen. Können alles sein und werden, was wir wollen. Sogar Veganer. Und das ist doch toll.
Dafür sollten wir dankbar sein. Es gab so viele Generationen, die dafür gekämpft haben, dass wir sein können, was wir sein wollen. Und dann lassen wir uns von einem vermeintlichem Schönheitsideal fertigmachen? Versteh ich nicht. Ist doch dumm.
Deswegen: Esst die Pizza, trinkt den Wein, geht nicht zum Sport. Macht das, was sich für euch gut und richtig anfühlt. Es gibt Tage, da gehe ich joggen, ernähre mich gesund und mache Übungen für meinen Rücken (man wird ja auch nicht jünger). Dann wiederum gibt es Tage, an denen ich mittags noch im Bett liege, mir Pfannkuchen zum Frühstück mache und mich nachmittags mit Freunden zum Waffeln essen treffe. Diese Tage heißen sonntags. Und ich liebe sie.
Genauso, wie ich meine Freunde liebe, die alle wunderschön und perfekt sind. In meinen Augen.
Und das ist alles, was für mich zählt.
Sehr gut geschrieben, du hast ja so recht .
<3
Sehr schöner Text. Ehrlich und wahr. Es fällt nur echt schwer, „da“ nicht mitzumachen. Aber es ist krank. Und wenn schon meine 8-jährige Ängste bzgl des „zu Dick werden können“ hat und meint, sie wäre nicht so hübsch wie ihre Freundinnen, dann ist die Gesellschaft echt kaputt. Überall wird man damit konfrontiert. Selbst in der eigenen Familie (leider)
Das ist einfach nur wahnsinnig traurig. Drück die Kleine von mir und sag ihr, dass sie wundervoll ist. Ich glaube, dass wir einfach an unserem Bewusstsein arbeiten müssen. Das ist natürlich nicht einfach und vor allem auch ein langer Weg. Aber es lohnt sich. Ich wünsch euch alle Akzeptanz und Liebe der Welt <3