Du hast mir beigebracht, wie man Pfannkuchen macht. Du hast mir gezeigt, wie man strickt, häkelt und Knöpfe annäht. Jeden Mittwoch haben Opa und du mich von der Grundschule abgeholt und wir haben den Nachmittag zusammen verbracht.
Wenn ich bei euch am WE übernachtet habe, konnte ich immer kaum schlafen, weil ich mich so auf den nächsten Tag gefreut habe. Morgens hast du mein Käsetoast immer in 16 mundgerechte Häppchen geschnitten. Dann durfte ich im Bett liegen bleiben und Kinderfernsehen anschauen. Du hast selbst Opa dazu gebracht, mir das Toast so zu schneiden, wenn du arbeiten musstest. Er hat dann immer gebrummelt, aber das war dir egal.
Du hast mir in Thailand, wo ihr jedes Jahr den Winter verbracht habt, immer die schönsten Kleider schneidern lassen, damit ich das coolste Kind im ganzen Dorf sein konnte. Und keiner konnte die Sachen nachkaufen: “Die sind von meiner Oma aus Thailand,“ hab ich immer ganz stolz gesagt. Überhaupt: Welche Großeltern verbringen schon 3 Monate jedes Jahr im Süden, weil es in Deutschland so scheiße kalt ist. Ich hab euch dafür immer bewundert. Einfach machen. Durchziehen. Nicht das konventionelle-Standardleben anstreben.
Wenn wir in die Stadt gegangen sind, durfte ich mir immer eine Kassette „Bibi Blocksberg“ und Süßigkeiten aussuchen. Und ich durfte alles auf einmal naschen, du hast nie geschimpft. Überhaupt: Du hast nie mit mir geschimpft. Ich erinnere mich an kein böses Wort aus deinem Mund. Liebevolle Strenge, ja; du hast an meinen gesunden Menschenverstand appelliert. (Den ich natürlich bereits als kleines Mädchen besaß, ich bin nämlich sehr weise geboren worden). Aber du bist niemals laut oder ungehalten geworden. Weil ich eben deine „Beste“ bin, wie du immer sagst. (Sorry, Papa und Thomas. Jetzt ist es raus. Oma hat mich lieber als euch). Heute ist dein Geburtstag. Neunzig Jahre. Wahnsinn. Ich erinnere mich an all die Abenteuer, die ich mit dir & Opa erleben durfte.
Es ist nicht immer leicht gewesen, aber wir haben in Krisenzeiten immer zusammengehalten. Und vor allem nie den Humor verloren. Auch nicht nach Opas Tod. Als wir nicht mehr zu dritt, sondern nur noch zu zweit waren.
Wenn ich dich in Liebesdingen um Rat frage, sagst du immer: „Egal, für wen du dich entscheidet, nur eines ist wichtig: Er muss gut zu dir und für dich sein.“ Den gleichen Ratschlag gebe ich jetzt meinen Freundinnen.
Du hast mir gezeigt, dass es wahre Liebe gibt. Du warst mit Opa fünfzig Jahre verheiratet. Bis der Tod euch getrennt hat. Zumindest physisch. Du liebst mich bedingungslos. Du würdest – ohne mit der Wimper zu zucken – alles aufgeben, damit ich glücklich bin.
Wenn ich im Leben eines bin, dann dankbar. Du bist immer so stolz auf mich. Wenn du wüsstest, wie viel Kraft mir das in schlechten Zeiten gibt.
Ich weiß, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem ich dich anrufe, und du nicht mehr rangehen wirst. Davor fürchte ich mich. Und dann verfluche ich es wieder, dass ich nicht eben für einen Kaffee zu dir fahren kann. Sondern dass ich in Berlin lebe und uns fünf Stunden trennen. Aber du wolltest immer, dass ich meinen eigenen Weg gehe. Dass ich da rausgehe und mein Ding mache. Es allen zeige. In deinen Augen konnte ich immer alles schaffen.
Wenn ich dich alle paar Wochen im Heim besuche und du mich siehst, strahlen deine Augen und du rufst „Kimi!“ so laut, dass sich alle Pfleger umdrehen und lächeln.
Du hast mir im Leben soviel beigebracht, aber nicht, wie es sein soll, ohne dich zu leben. Und deswegen bin ich froh, dass ich – bis es soweit ist – jede Gelegenheit nutzen kann, um dich zu besuchen. Ich liebe dich wirklich mehr als Worte ausdrücken können Omi.
Und wenn ihr es bis hierhin geschafft habt, möchte ich euch jetzt etwas ans Herz legen: Schätzt eure Familien, solange ihr sie habt.
Wir wissen nie, was morgen ist.