Eigentlich sollten wir jetzt im Flugzeug nach Palma sitzen. Eigentlich. Denn das Leben hat manchmal andere Pläne. Und ein kleiner Schatten im Ultraschall auf meiner Bauchspeicheldrüse ändert eben die Dinge.
So kommt es, dass wir nicht am Flughafen mit Prosecco auf unseren Urlaub anstoßen, sondern irgendwo im tiefsten Brandenburg in einer Klinik sitzen, um auf mein MRT zu warten. In Brandenburg… Ich hoffe, die machen das hier hauptberuflich.
Die zwei Frauen an meiner Seite, die seit Jahren immer an meiner Seite sind, haben sich nicht davon abbringen lassen, ebenfalls ihre Flüge zu canceln und mich zur Untersuchung zu begleiten. „Ich kann doch einen Tag später nachfliegen,“ hab ich gesagt. – „Du spinnst wohl, wir begleiten dich!,“ haben sie gesagt. In guten, wie in schlechten Zeiten.
Die letzten Wochen waren hart. Wohl mit die härtesten in meinem Leben. Wenn man sich plötzlich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt – von der man irgendwie immer dachte, sie würde erst in ca. 50 Jahren um die Ecke kommen – macht das was mit einem. Man setzt alles in Relation; die Prioritäten wieder anders – und überlegt sich, was man in seinem Leben noch machen, sehen und erleben möchte.
Ich möchte unbedingt nochmal in New York leben; zudem eine längere Zeit in Spanien, Italien und Frankreich verweilen. Ich möchte meine Kolumnen wieder aufleben lassen und endlich dieses Buch zu Ende bringen. Ich möchte Vespa in Rom fahren, Rotwein in Montmartre in Paris trinken, einen Weinberg besuchen und in einem Club in New York mein Lieblingslied singen. Außerdem möchte ich den Sommer in einem kleinen Haus mit Garten am Mittelmeer leben, während ich durch den Garten tobe und Aquarelle von Katzen male, die wie Hasen aussehen (ich kann echt schlecht zeichnen). Ich möchte Pinguine in Kapstadt sehen, mit einem kleinen Boot im Meer rumschippern, Tequila in Mexiko trinken und mit Delfinen schnorcheln.
Außerdem möchte ich wirklich gerne einen Hund haben. Einen Golden Retriever, den ich dann Peanut nenne (Name ist [evtl.] verhandelbar). Außerdem möchte ich mich noch einmal so richtig, richtig doll verlieben. Und irgendwann… Irgendwann möchte ich Mutter werden.
Ich möchte noch so viel und hab vor allem Angst, dass ich das alles nicht schaffen werde. Dass ich das alles nicht schaffen kann. Weil halt irgendwie immer der Alltag dazwischenkommt – mit all seinen Verpflichtungen.
Ich erzähle euch das jetzt aus einem bestimmten Grund: Wir tun irgendwie immer so, als hätten wir noch ein zweites Leben im Gepäck. Wir schieben Dinge auf, halten uns zurück und haben es offensichtlich verlernt, den Moment zu genießen. Haben es verlernt, Chancen zu geben und Möglichkeiten zuzulassen. Warum auch? Läuft ja alles; ist doch bequem so. Dabei wissen wir nie, wie viel Zeit uns noch bleibt. Für das, was wirklich wichtig ist, meine ich.
Wir haben jeden Morgen die Chance, das zu tun, was wir tun wollen. Der zu sein, der wir sein wollen. Was uns davon abhält? Das sind nicht unsere Fehler, das ist unsere Angst.
Deswegen müsst ihr jetzt mutig sein. Springt. Seid neugierig. Seht das Leben wie ein riesiges Abenteuer. Kostet es aus; mit jeder Faser eures Körpers. Macht Dummheiten. Man bereut meistens nicht die Dinge, die man getan hat – sondern die, die man nicht getan hat. Lernt andere Menschen, Länder und Kulturen kennen, erweitert euren Horizont. Mit jeder neuen Erfahrung lernt ihr euch auch ein Stückchen besser kennen. Es ist doch eigentlich nicht wichtig, wie lange wir leben, sondern wie wir leben. Wie glücklich wir dabei sind.
Geht dabei bitte nicht mit Scheuklappen durch die Welt – kümmert euch um die Menschen um euch herum. Nehmt Rücksicht aufeinander.
Vielleicht kann man nicht die ganze Welt verändern, aber auf jeden Fall die Welt um sich herum. Mit einem Lächeln, einer netten Geste, lieben Worten. Ihr wisst doch nie, was euer Gegenüber gerade durchmachen muss.
Hört außerdem auf euren Körper. Geht lieber einmal mehr zur Vorsorge als nötig. Keiner von uns weiß, was morgen ist. Wir haben nur das heute. Und heute – heute will ich leben.
Deswegen solltet ihr da jetzt rausgehen. Geht da jetzt raus und lebt euer Leben. Und liebt. Mein Gott, liebt.
Für nichts anderes ist Zeit.